Foto: Felix Schikora

Corona macht erfinderisch – viele Menschen folgten der Einladung zu einem ungewöhnlichen Event

Zwei Pfarrerinnen (Anke-Neubauer-Krauß/Ratheim-Gerderath und Friederike Lambrich/Lövenich), zwei Pfarrer (Sebastian Walde/Heinsberg und Felix Schikora/Kirchenkreis Jülich) und ein Vikar (Marc Jansen/Schwanenberg) feierten einen ungewöhnlichen Gottesdienst mit einer ungewöhnlichen Gemeinde: die Akteure auf der Bühne des Autokinos in Erkelenz – die Gottesdienstbesucher*innen in ihren Fahrzeugen.

Marc Jansen begrüßte die Menschen: „Statt auf einer Kirchenbank sitzt man im vertrauten Autositz, statt im großen Kirchenraum zu sein ist man für sich geschlossen in seinem Auto. Klimaanlage statt kühler Kirchenluft. Hupe statt Orgel. Autoradio statt Gesangbuch. Es ist alles etwas anderes in diesen Tagen, doch nichtsdestotrotz sind wir alle, die hier zum Gottesdienst zusammenkommen, verbunden durch denjenigen, der uns in dieser Zeit begleitet.“ Das Halleluja wurde dann nicht gesungen, sondern gehupt. Da wusste dann ganz Erkelenz, dass hier Gottesdienst gefeiert wird.

Foto Marcel Kuss

Im 90. Psalm der Bibel heißt es: Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden. Vielen Menschen werde die Endlichkeit des Lebens in diesen Zeiten bewusst. Klug werde man, so Friederike Lambrich, durch Fragen. Und entsprechend ihrem Alter hatte sie 35 Fragen an Gott, das Leben und die Menschen mitgebracht Zum Beispiel: Wo ist der Himmel aufgehängt? Wenn ich meine Spaghetti nicht aufesse, darf ich sie dann nach Afrika schicken? Bist du da, Gott? Was will ich werden und wie werde ich, wer ich bin? Müsste man sich nicht viel öfter was trauen? Und wie lange dauert dieses „Carona“ noch? (Kein Druckfehler!)

Anke Neubauer-Krauß führte einen Dialog mit Noah, der damals in der Arche saß wie die Menschen im Gottesdienst in ihren Autos: „In Sicherheit, aber nicht in Freiheit“. Und weiter: „Ich sehne mich…. – nach mehr! Nach einem WIR – das mehr ist als Zwei draußen und die Vertrauten drinnen. Ich sehne mich danach, meine Freunde in den Arm zu nehmen und die Feste in meiner Familie zu feiern. Ich möchte laut singen, auch falsch, in meinem Chor. Ich träume davon hinauszufahren und andere Orte dieser Welt zu besuchen. Kennst du diese Sehnsucht, Noah?“ Die Noahgeschichte hatte ein Happy End. „Dein Happy End, Noah, gilt – auch heute, hier, für uns. Gott ist da. Es gibt sie – die Regenbogenmomente – auch inmitten von Coronazeiten.“ Zusammenhalt oder gegenseitige Hilfe oder auch ein ungewöhnlicher Gottesdienst. Und ein Tuch in den Regenbogenfarben machte jeder und jedem deutlich, dass Corona nicht das letzte Wort haben wird.

Foto: Marcus Mesche

Sebastian Walde, so in seiner Predigt, fände es schön, wenn dieser Gottesdienst im Autokino Teil einer Geschichte wäre, die mit „das hätte ich nie gedacht“ oder „es war einmal“ anfängt und mit und wenn sie nicht gestorben sind zu Ende wäre. „Aber wir sind noch mitten drin.“ Man habe z.B. den Wert von Alltäglichkeiten, wie das Lächeln bei der Begegnung“ neu entdeckt. Und es sei zu hoffen, dass die jetzt entdeckten Werte auch nach Corona noch lebendig blieben.

Man gehöre zu den Überlebenden der Pandemie. Aber: „Überleben ist schön, aber nicht alles, wonach wir uns sehnen, was wir uns wünschen! Immerhin, Überleben heißt auch auf einmal Abstand zum alten Leben zu bekommen und aus der Entfernung erstaunt festzustellen, wie schön es war oder wie mein Kollege sagte, „das alte Normal ist das neue Geil“.

Ein hilfreicher Blick auf die Noahgeschichte zeige: „Die Arche Noah war völlig verschlossen, es gab nur eine Tür und ein Fenster mit einem Spalt groß genug für eine Taube oder einen Schmetterling. Die Arche lässt uns überleben, dieser Spalt aber, den Gott darin lässt, lässt uns lebendig bleiben und hoffen. Und wenn die Hoffnung sich erfüllt, wenn es so weit ist und die Tür sich öffnet, dann lasst uns aus der Arche dies mitnehmen als Einsicht, wie kostbar das stinknormale Leben ist, und wie wichtig es darum ist, dass wir wirklich für alle Menschen alles uns Mögliche tun, den Spalt der Hoffnung nicht zu verschließen, sondern offen zu halten. Denn Gott will nicht nur unser Überleben, sondern ein Leben in Gemeinschaft und in der Fülle seiner Gnade.

Foto Marcel Kuss

Felix Schikora lud die Menschen in den Fahrzeugen ein, ihre Gedanken, ihre Sorgen, ihre Fürsorge für andere im Gebet vor Gott zu bringen, bevor die fünf Theolog*innen die Gemeinde mit der Bitte um den Segen in den Tag schickten.

Foto: Marcus Mesche

Die Gottesdienste in Zahlen: Zum ersten Gottesdienst um 9.00 Uhr kamen 52 PKW, zum zweiten um 11.00 Uhr 116 PKW. Geschätzt etwa 500 Gottesdienstbesucher*innen!

Bei der Ausfahrt wurde eine Kollekte gesammelt für die Flüchtlingsarbeit der Evangelischen Kirche in Marokko, der Partnerkirche des Kirchenkreises Jülich: knapp 1400 EURO kamen zusammen.

Für alle, die am Gottesdienst nicht teilnehmen konnten, gab und gibt es die Möglichkeit der Überweisung: Projekt „Vivre l’Espoir“ der Eglise Evangelique au Maroc, der Partnerkirche des Kirchenkreises Jülich. Der Kirchenkreis unterstützt dieses Projekt für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Evangelisches Verwaltungsamt, IBAN DE75 3506 0190 1010 1870 16 bei der KD-Bank, Stichwort: Autokino für Marokko.

Ein Video vom Gottesdienst gibt es hier: https://www.youtube.com/channel/UCfYDzEPXRDta9YJmicXYO4w

© Johannes de Kleine, Kirchenkreis Jülich